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Pressemitteilung vom 27. Februar 2020

Paradigmenwechsel von einer Kultur des Beistands und der Sorge hin zu einer Kultur des Todes

Bundesverfassungsgericht fällt erschütterndes Urteil zum assistierten Suizid

Das Bundesverfassungsgericht verkündete am 26.2.2020 ein erschütterndes und beispielloses Urteil zur Suizidbeihilfe, das tief in elementare Grundlagen unseres menschlichen Zusammenlebens eingreift.
Im Urteil wird ein neues Recht auf Selbsttötung postuliert, das ein Recht auf assistierten Suizid einschließt. Dieses Recht wird aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Würde des Menschen abgeleitet und soll uneingeschränkt für jedermann gelten, solange seine Entscheidung als „selbstbestimmt“ bewertet werden könne. Es bestehe in jeder Phase menschlicher Existenz unabhängig von schweren oder unheilbaren Krankheitszuständen. Von wem und auf welche Weise die Freiverantwortlichkeit eines Suizidwunsches und die Motive des Suizidhelfers überprüft werden sollen, wird nicht konkretisiert.

Vor fünf Jahren, zu Beginn des Gesetzgebungsverfahren zum assistierten Suizid, warnte das Arbeitsbündnis “Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ angesichts der damals vorliegenden Gesetzentwürfe davor, dass der Lebensschutz in Deutschland wieder in Gefahr ist. Dies hat sich spätestens mit dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. Innerhalb von fünf Jahren ist aus dem angeblichen Bemühen um einen Schutz vor assistiertem Suizid nun in letzter Instanz ein Recht auf Suizid und der Beihilfe dazu geworden. Gerade in einer höchst vulnerablen Phase menschlichen Lebens, in der sich ein Suizidwilliger fast immer befindet, wird bei der Abwägung der Rechtsgüter einseitig auf das Selbstbestimmungsrecht fokussiert.
Das Urteil ist umso erschreckender, als dass die Richter es in Kenntnis der ungünstigen Erfahrungen in den Nachbarländern, der fatalen Erfahrungen aus der deutschen Geschichte, der Warnungen aus der Suizidforschung und der Fortschritte in der Palliativmedizin fällten. Warum sind diese gewichtigen Gründe für die Richter bei der Urteilsfindung nicht entscheidend gewesen?

Ausgehend vom aktuellen medizinisch-psychiatrischen Verständnis ist Suizidalität in den allermeisten Fällen Symptom einer psychischen Erkrankung beziehungsweise mit einer psychosozialen Krise verknüpft. Menschen, die einen Suizidwunsch äußern, erwarten in aller Regel nicht, dass ihr Tod herbeigeführt wird. Hier ist es wichtig, den Suizidwunsch als Symptom menschlicher Not, als Hilferuf zu erkennen, der fast immer vorübergehender Natur ist. Es gilt, dem Suizidwilligen einen Ausweg aus der vermeintlichen Hoffnungslosigkeit aufzuzeigen, mit ihm neue Perspektiven im Umgang mit seiner schwierigen Situation zu entwickeln oder die schwierige Situation mit ihm auszuhalten.
Der Wunsch nach Beihilfe zum Suizid entsteht nicht in erster Linie aus Angst vor unstillbaren Schmerzen, sondern aus der Sorge, anderen zur Last zu fallen, ausgeliefert zu sein, die Kontrolle zu verlieren oder alleine zu sein. Hier wird deutlich, dass die Haltung der Menschen, die dem Suizidwilligen begegnen, auch den Sterbewunsch in die eine oder andere Richtung beeinflussen kann.

«Es bedarf einer unheimlichen Antriebskraft, um den Selbsterhaltungstrieb auszuschalten. Nur eine hochgradige, dynamische Einengung, also ein gefühlsmässiger Vorgang, niemals aber bloss rationale ‹Überlegung› vermag diese freizusetzen. […] Aus dem Gesagten ergibt sich auch, wie unhaltbar, ja verhängnisvoll irreführend das im Deutschen oft als Synonym für Selbstmord gebrauchte Wort ‹Freitod› eigentlich ist. Nicht nur wird damit ein Tatbestand falsch beschrieben, sondern diese falsche Qualifikation hat auch für den Zuhörer und Beobachter verhängnisvolle Folgen: Er ist geneigt, den ‹freien Willen› des Täters zu respektieren, fühlt sich berechtigt, ja sogar verpflichtet, untätig zu bleiben und nicht einzugreifen, um jedem ‹seinen Willen zu lassen› […].»1

Um in der Bevölkerung Akzeptanz für eine ärztlich assistierte Selbsttötung oder Euthanasie zu erzeugen, werden immer wieder tragische Situation einzelner schwer kranker und sterbender

Menschen benutzt. Unerwähnt bleibt dabei, dass wir heute aufgrund der Fortschritte in der Medizin und der sozialen Verbundenheit in der Lage sind, schwer kranke und sterbende Menschen so zu versorgen, dass sie nicht unerträglich leiden müssen und sich aufgehoben fühlen. Auch braucht niemand Sorge zu haben, dass im Falle einer unheilbaren und tödlich verlaufenden Krankheit sein Leiden unnötig verlängert wird.
Denn der Arzt macht sich schon heute nicht strafbar, wenn er auf Wunsch des Patienten eine medizinische Maßnahme unterlässt, reduziert oder abbricht. Ebenso ist es ihm erlaubt, eine indizierte lindernde Behandlung auch dann durchzuführen, wenn durch sie ungewollt das Leben des Patienten möglicherweise verkürzt werden könnte. Dabei besteht die Absicht ärztlichen Handelns immer darin, Schmerz und Leid zu lindern, aber nicht zu töten!

Das Urteil stellt einen Paradigmenwechsel dar, weg von einer Kultur der Sorge und des Beistandes hin zu einer Kultur des Todes!
Es ist abzusehen, dass durch das Urteil soziale Bindungen gestört werden. Die Arzt-Patient-Beziehung wird tief erschüttert, die menschliche Solidarität und die spontane Hilfeleistung wird beschädigt. Die Schutzpflicht des Staates für das Leben seiner Bürger tritt in den Hintergrund.

Wir Menschen sind in der Lage, ein antisuizidales Klima in unserer Gesellschaft zu schaffen, das Mut macht und Hoffnung weckt für ein Leben bis zum letzten Atemzug. Beispiele hierfür gibt es genug.

„Der assistierte Suizid löst kein humanitäres Problem unserer Gesellschaft; er schafft stattdessen Unsicherheit und Angst, er zerstört die Solidarität der Menschen im Angesicht von Leid und Endlichkeit unseres Daseins. Lassen wir uns von dem scheinbar rationalen Kalkül eines kontrolliert herbeigeführten Todes nicht blenden. Wir brauchen keine mitleidigen Todeshelfer sondern mitfühlende Lebenshelfer.“ 2

1 Ringel, E., Selbstmord, Appell an die anderen, Chr. Kaiser Verlagshaus, Gütersloh, 1989, S. 18
2 Axel W. Bauer, „Die vermeintlich zwingenden ökonomischen Hintergründe des assistierten Suizids und ihre humane Überwindung“, Broschüre des Arbeitsbündnisses „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“, herausgegeben anlässlich des Weltpsychiatriekongresses in Berlin, Oktober 2017

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Pressemitteilung vom 21. 11. 2019

Besorgniserregende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom 19.11.2019

Das Verwaltungsgericht Köln hält das gesetzlich geregelte generelle Verbot des Erwerbs von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung für verfassungswidrig. In ihrer Entscheidung beziehen sich die Richter auf das vielfach scharf kritisierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2.3.2017 und vertreten die Auffassung, dass ein Erwerb für „schwerkranke Menschen in existenziellen Notlagen“ erlaubt sein müsse. Daher fordern die Richter nun eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Betäubungsmittelgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht.
Ein Anspruch auf Beihilfe zur Selbsttötung seitens des Staates existiert in Deutschland nicht!
Der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio wies bereits im November 2017 in seinem Rechtsgutachten darauf hin, dass keine verfassungsrechtliche Schutzpflicht des Staates bestehe, einem Sterbewilligen die für den Suizid notwendigen Mittel zu verschaffen oder den Zugang zu ihnen zu ermöglichen.  Auch werde durch das gesetzlich angeordnete Erwerbsverbot zum Zweck der Selbsttötung nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Suizidenten eingegriffen. Aus dem personalen Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen könne kein absoluter Geltungsanspruch abgeleitet werden, der eine Pflicht des Staates zur Beteiligung an einer höchstpersönlichen (Suizid)-Entscheidung begründet. Di Fabio macht außerdem auf das Problem der zu befürchtenden gesellschaftlichen Akzeptanz des Suizids und der Suizidbeihilfe durch prosuizidale Tendenzen in der Gesellschaft aufmerksam. Hier habe der Gesetzgeber die Möglichkeit, bei einer künftig zu erwartenden Gefährdung der Menschenwürde die Mittel zur Selbsttötung zu verweigern.

Lösungen für die Probleme schwerkranker und sterbender Menschen liegen in der Verbesserung der Palliativversorgung und der sozialen Bedingungen, sowie in der Beseitigung der Gründe, warum Patienten nach assistiertem Suizid fragen.

Wir hoffen, dass sich die Verfassungsrichter in Karlsruhe der Rechtsauffassung von Prof. Udo di Fabio anschließen!

Pressemitteilung vom 15. April 2019

zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in Sachen „§ 217 StGB (geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung)“ am 16./17. April 2019

Assistierter Suizid – Gefahren für die Gesellschaft

Das Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ wendet sich gegen den §217 StGB, das sogenannte „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ vom 10. Dezember 2015, das in Absatz 2 Angehörige und Nahestehende ausdrücklich straffrei stellt, wenn sie Beihilfe zum Suizid leisten oder selbst Teilnehmer einer geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe sind. Damit ist der ursprüngliche Zweck des Gesetzes in sein
Gegenteil verkehrt worden.
Wir hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber dazu verpflichtet, geeignete gesetzliche Maßnahmen zum Schutz des Lebens (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) mit dem Ziel einer wirksamen Suizidprävention zu treffen.
In diesem Kontext weisen wir auf einen sehr wertvollen Artikel einer interprofessionellen Gruppe von Wissenschaftlern aus Europa, Amerika und Australien hin, der im Juni 2018 unter dem Titel „Physician-Assisted Suicide and Euthanasia: Emerging Issues From a Global Perspective“ im Journal of Palliative Care veröffentlicht wurde. Die Autoren, darunter Ärzte verschiedener Fakultäten, Rechtswissenschaftler, Ethiker und Psychologen, sehen ernsthafte Risiken für die Gesellschaft, wenn sich die Haltung der Medizinischen Fachgesellschaften, welche ärztlich assistierten Suizid und Euthanasie (ÄAS-E) traditionell ablehnen, ändern würde. Sie warnen insbesondere vor den Folgen für die ärztliche Professionalität, vor den Konsequenzen für hilfsbedürftige Menschen und für das Gemeinwohl.

Einleitend weisen die Autoren darauf hin, dass der Verzicht auf lebenserhaltende Behandlungen, wenn sie für den Patienten nicht mehr vorteilhaft sind, „moralisch gesund“ sei. „Die Vorenthaltung und der Abbruch“ einer Behandlung unterscheide sich ethisch von ärztlich assistiertem Suizid und Euthanasie (ÄAS-E).
Vor dem Hintergrund der historischen und globalen Entwicklung und der Bedeutung der Arzt-Patient-Beziehung sehen sie insbesondere fünf Gründe, warum Ärzte sich niemals an ÄAS-E beteiligen sollten:

1. Schiefe Ebene
Die Wissenschaftler stellen fest, dass in Ländern, die ÄAS-E legalisiert haben, die sogenannten „Sicherheitsvorkehrungen“ ineffektiv sind, dass sie verletzt und die Indikationen schrittweise ausgeweitet werden. Beispielsweise würden psychisch Kranke getötet, Menschen die einer gesellschaftlich diskriminierten Gruppe angehören oder Menschen, die gar nicht um Euthanasie gebeten haben.
Nach Jahren der Euthanasie-Praxis seien Veränderungen in der „medizinischen Kultur“ aufgetreten und Euthanasie werde am Ende des Lebens zunehmend als eine gültige Option angesehen.

2. Mangel an Selbstbestimmung
Das Verlangen nach ÄAS-E sei stärker durch psychologische und soziale Motive gekennzeichnet, als durch körperliche Symptome oder rationale Entscheidungen. In den meisten Fällen würden die Suizidabsichten bei verbesserter Symptomkontrolle und psychologischer Unterstützung verschwinden.
Bei vielen Anfragen für ÄAS-E liege die Ursache nicht im Schmerz und Leid des Patienten, sondern darin, dass er glaubt, das Leben nicht genießen zu können, in Hoffnungslosigkeit, Angst vor dem Sterben, in sozialer/familiärer Isolation und in der Angst davor, eine Belastung
zu sein oder von der Familie abhängig zu sein, einschließlich finanzieller Überlegungen. Anfragen nach könnten auch ein Hilferuf sein, ein „Wunsch zu leben, aber nicht so.“

3. Unzureichende Palliativversorgung
Mit einer besseren Palliativversorgung erreiche man, dass sich die meisten Patienten körperlich wohl fühlen. Viele Personen, die nach ÄAS-E fragen, wollten nicht sterben, sondern von ihrem Leiden befreit werden. Eine angemessene Behandlung von Depression und Schmerzen verringere das Verlangen nach dem Tod.

4. Medizinische Professionalität
Ärztlich assistierter Suizid/Euthanasie (ÄAS-E) überschreite die unantastbare Regel, dass Ärzte Leiden heilen und lindern, aber niemals absichtlich den Tod herbeiführen.
ÄAS-E untergrabe die Beziehung zwischen Arzt und Patient und höhle das Vertrauen der Patienten und der Gesellschaft in den ärztlichen Beruf aus.

5. Unterschiede zwischen Mittel und Ziel
Die Autoren glauben, dass das Töten von Patienten, um Leiden zu lindern, etwas grundsätzlich anderes ist als der natürliche Tod und nicht akzeptiert werden kann.

In ihrem Fazit kommen die Autoren zu folgendem Ergebnis:
Ärzte haben die Pflicht, Schmerz und Leid zu beseitigen, nicht aber die Person, die Schmerzen hat und leidet. Aus den genannten Gründen schlagen sie vor, dass ÄAS-E nicht legalisiert werden sollte. ÄAS-E sei keine medizinische Behandlung und sollte nie von Ärzten durchgeführt werden.
Lösungen für leidende Patienten liegen in der Verbesserung der Palliativversorgung und der sozialen Bedingungen sowie in der Beseitigung der Gründe, warum Patienten nach ÄAS-E fragen. Es sei keine Lösung, die medizinische Praxis radikal zu verändern und ÄAS-E zu erlauben. Zudem weisen sie auf die wichtige Rolle der Medizin bei der Aufrechterhaltung von Werten hin, insbesondere des Respektes vor dem menschlichen Leben.

Pressemitteilung vom 18.01.2018

Udo Di Fabio nimmt Verfassungsverstoß an und empfiehlt gesetzgeberische Klärung

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2.3.2017 verfassungsrechtlich nicht haltbar

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 2.3.2017, das Patienten in „extremen Ausnahmesituationen“ den Zugang zu dem Betäubungsmittel Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung erlaubt, wurde vielfach und zu Recht scharf kritisiert.

Da die Verwendung von Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung von Menschen gegen unser Betäubungsmittelgesetz verstößt, deklarierten die Leipziger Richter die (Selbst-)Tötung eines Menschen durch Pentobarbital kurzerhand als medizinische Therapie.

Nun liegt das Rechtsgutachten des renommierten ehemaligen Verfassungsrichters Universitätsprofessor Dr. iur. Dr. sc. pol. Udo Di Fabio vor.i Er bewertet das Urteil als verfassungsrechtlich nicht haltbar und nimmt sogar einen Verfassungsverstoß an. Di Fabio widerspricht dem im Urteil erhobenen Anspruch auf Beihilfe zur Selbsttötung seitens des Staates. Es bestehe keine verfassungsrechtliche Schutzpflicht des Staates, einem Sterbewilligen die für den Suizid notwendigen Mittel zu verschaffen oder den Zugang zu ihnen zu ermöglichen. Auch werde durch das gesetzlich angeordnete Erwerbsverbot zum Zweck der Selbsttötung nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Suizidenten eingegriffen.

Im Gegenteil sei der Zweck des Betäubungsmittelgesetzes auf lebenserhaltende oder lebensfördernde Maßnahmen und Verwendungszwecke gerichtet. “Eine Erwerbserlaubnis zum Zweck der Selbsttötung ist weder vom Wortlaut noch vom Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG erfasst.“

Das Bundesverwaltungsgericht setze „an die Stelle des Willens des Gesetzgebers seinen eigenen rechtspolitischen Willen“ und greife damit in das Prinzip der Gewaltenteilung ein!

Di Fabio leitet her, dass aus dem personalen Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen kein absoluter Geltungsanspruch abgeleitet werden kann, der eine Pflicht des Staates zur Beteiligung an einer (Suizid)-Entscheidung begründet.

Di Fabio macht außerdem auf das Problem der zu befürchtenden gesellschaftlichen Akzeptanz des Suizids und der Suizidbeihilfe durch prosuizidale Tendenzen in der Gesellschaft aufmerksam. Hier habe der Gesetzgeber die Möglichkeit, bei einer künftig zu erwartenden Gefährdung der Menschenwürde die Mittel zur Selbsttötung zu verweigern.

Di Fabio empfiehlt, die bindende Wirkung des Leipziger Urteils zurücktreten zu lassen, indem der Bundesgesundheitsminister bis zur gesetzgeberischen Klärung einen Nichtanwendungs-erlass anordnet. Außerdem habe die Bundesregierung die Möglichkeit, mit einem Antrag beim Bundesverfassungsgericht im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle eine Bestätigung des bestehenden Gesetzes gegen die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichtes zu erreichen.

Auch das Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ und die Liga der „Ärzte in Ehrfurcht vor dem Leben“ haben in ihren Presseerklärungen vom 19.3.17 und 24.5.17 auf das rechtsstaatlich und ethisch höchst besorgniserregende Urteil des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen und seine Revision gefordert.

Wir schließen uns den Empfehlungen von Prof. Udo Di Fabio an!

1 Erwerbserlaubnis letal wirkender Mittel zur Selbsttötung in existenziellen Notlagen, Rechtsgutachten zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2017, – 3 C 19/15 -, im Auftrag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, von Universitätsprofessor Dr. iur. Dr. sc. pol. Udo Di Fabio, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Zu finden auf der Website des Bundesinstituts für Arzneimittel u. Medizinprodukte unter:

https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Presse/Rechtsgutachten.pdf?__blob=publicationFile&v=2


Pressemitteilung vom 17. 10. 2017

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Symposium beim Weltpsychiatrie-Kongress in Berlin, Oktober 2017

Das Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ beteiligte sich am diesjährigen Weltpsychiatrie-Kongress in Berlin unter dem Topic Psychiatry and Society mit dem Symposium „Hilfe zum Leben statt Hilfe zum Sterben“ unter Vorsitz von Professor Dr. med. Dr. h.c. U. H. Peters und bot mit einer Broschüre Einblick in seine Tätigkeit. Anlass des Symposiums war die in Deutschland und anderen Ländern forcierte Werbung für assistierten Suizid und Tötung auf Verlangen sowie das am 10.12.2015 in Kraft getretene „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“, das in Absatz 2 „Angehörige“ und „Nahestehende“ explizit straffrei stellt, wenn sie Beihilfe zum Suizid leisten oder selbst Teilnehmer einer geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe sind. „Behandelnde Ärzte sind bei kranken Menschen immer Nahestehende. Dadurch, dass es allen behandelnden Ärzten in die Hand gegeben wird, einem Tötungswunsch zu entsprechen, wird die Arzt-Patienten-Beziehung tief erschüttert.“ 1

Das Thema des Symposiums wurde in einer interdisziplinären Zusammenschau aus psychiatrischer, historischer, staatsrechtlicher, philosophischer und palliativmedizinischer Sicht unter Einbeziehung der Warnungen aus der Suizidforschung dargestellt:

  1. M.A. & lic. phil. Moritz Nestor

Der Schutz des Lebens als erster Zweck des neuzeitlichen demokratischen Rechtsstaates – Schutz vor Willkür, Gewalt und Gleichgültigkeit

In einem 2500 Jahre währenden Ringen haben die Menschen in Europa das Modell des gewaltenteilenden demokratischen Rechtsstaates entwickelt. Er ist die institutionelle Überwindung des Bürgerkrieges. Sein Zweck ist der Schutz des Lebens und der Freiheit.

Das politische Denken hat bis heute keinen Weg gefunden, der hinter ihn zurückführt, ohne ins Chaos abzugleiten. Das gilt auch für das innerstaatliche Aufbrechen des Tötungsverbots durch die Beihilfe zum Suizid.

  1. Dr. med. Susanne Ley

Ohne Ehrfurcht vor dem Leben hat die Menschheit keine Zukunft – Widerstand gegen den assistierten Suizid in Deutschland

Aus Besorgnis über den Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum assistierten Suizid in Deutschland bildete sich 2015 das Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“, das ein breites Spektrum der Zivilgesellschaft repräsentiert. Das Bündnis und die hieraus im November 2015 hervorgegangene Liga „Ärzte in Ehrfurcht vor dem Leben“ erarbeiteten Wege des Widerstandes. Das Arbeitsbündnis vertrat seinen ablehnenden Standpunkt gegenüber permissiven, prosuizidalen Tendenzen auf Arbeitstagungen, in Pressemitteilungen und Vorträgen und initiierte eine Verfassungsbeschwerde gegen den neuen § 217 StGB. Diese wurde am 2. Dezember 2016 von neun Beschwerdeführern, mehrheitlich Ärzte und Wissenschaftler, eingereicht.

  1. Dr. med. Karen Nestor

Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden – Perspektiven der Palliativmedizin

Palliativmedizin kann suizidpräventiv wirken. Karen Nestor begründet anthropologisch, dass das Angewiesen-Sein, welches heute häufig als „unwürdig“ erlebt wird, zum Menschsein als conditio humana dazugehört, und dass gerade im Aufeinander-Angewiesen-Sein durch die Ausbildung der zwischenmenschlichen Verbundenheit und Kooperation das große Potential der Spezies Mensch liegt.

  1. Prof. Dr. phil. Dr. med. habil. Armin Schmidtke

Ist Suizidprävention möglich?

Auf dem Hintergrund seiner langjährigen Tätigkeit als Initiator und Vorsitzender des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland (NaSPro) präsentiert Prof. Armin Schmidtke den Stand der Suizidpräventionsforschung und resümiert, dass Suizidprävention umso mehr möglich ist, wenn sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird.

Der assistierte Suizid löst kein humanitäres Problem unserer Gesellschaft; er schafft stattdessen Unsicherheit und Angst, er zerstört die Solidarität der Menschen im Angesicht von Leid und Endlichkeit unseres Daseins. Lassen wir uns von dem scheinbar rationalen Kalkül eines kontrolliert herbeigeführten Todes nicht blenden. Wir brauchen keine mitleidigen Todeshelfer sondern mitfühlende Lebenshelfer.“ 2

1 Prof. Dr. med. Dr. h.c. Uwe Henrik Peters. Vorwort. In: Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ (Hrsg.) Eine Auswahl der Publikationen. Herausgegeben anlässlich des Weltpsychiatriekongresses in Berlin, Oktober 2017. Köln 2017, Seite 3

2 Prof. Axel W. Bauer: Die vermeintlich zwingenden ökonomischen Hintergründe des assistierten Suizids und ihre humane Überwindung. In: Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ (Hrsg.) Eine Auswahl der Publikationen. Herausgegeben anlässlich des Weltpsychiatriekongresses in Berlin, Oktober 2017. Köln 2017, Seite 42


Pressemitteilung vom 6.8.2017

Soll der Schutz des Lebens keine „grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung“ mehr haben?

Bundesverfassungsgericht lehnt Verfassungsbeschwerde von
Ärzten und Wissenschaftlern gegen § 217 StGB ab

Am 2. Dezember 2016 wurde auf Initiative des Arbeitsbündnisses „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ eine Verfassungsbeschwerde gegen den neuen § 217 StGB eingereicht. Die Beschwerdeführer, mehrheitlich Ärzte und Wissenschaftler, wenden sich gegen den neuen §217 StGB, das sogenannte „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ vom 10. Dezember 2015, das in Absatz 2 Angehörige und Nahestehende ausdrücklich straffrei stellt, wenn sie Beihilfe zum Suizid leisten oder selbst Teilnehmer einer geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe sind. Damit ist der ursprüngliche Zweck des Gesetzes in sein Gegenteil verkehrt worden.

Die Beschwerdeführer befürchten, dass durch den neuen § 217 StGB die gesellschaftliche Akzeptanz des Suizids, der Suizidbeihilfe und damit die Zahl der Suizidtoten ansteigen. Sie warnen vor der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient. Der Arzt sei Beschützer des Lebens, er dürfe nicht zur Gefahr für das Leben seiner Patienten werden. Die Beschwerdeführer sehen die Gewissensfreiheit des Arztes gefährdet und sind der Ansicht, Suizidalität sei in den allermeisten Fällen Symptom einer psychischen Erkrankung oder einer psychosozialen Krise. Daher sei der Wille des suizidalen Menschen nicht im positiven Sinne des Wortes „frei“. Er müsse sowohl vor einer Kurzschlusshandlung als auch vor Handlungen Dritter, nämlich denen der Sterbehelfer, geschützt werden. Hier bestehe eine Schutzpflicht des Staates. Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG schütze das Recht auf Leben. Der Lebensschutz werde durch den § 217 StGB nicht gestärkt, sondern gefährdet.

Die Verfassungsbeschwerde wurde am 20.7.2017 vom Bundesverfassungsgericht ohne Begründung abgelehnt. Es beschloss, die Beschwerde habe „keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung“. Die Entscheidung wirft ein Licht auf den Zustand unseres Rechtsstaates. Welche Verfassung schützt das Bundesverfassungsgericht eigentlich, wenn Fragen nach dem Schutz des Lebens keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung mehr haben sollen? Bei einer Annahme der Beschwerde hätte sich das Bundesverfassungsgericht ehrlich mit der Frage der Schutzpflicht des Staates für das Leben versus dem Recht auf Selbstbestimmung auseinandersetzen müssen. Ist dies nicht gewollt?

Die Garantie der Menschenwürde und das daraus abgeleitete Recht auf Leben sind unveräußerliche vorstaatliche Rechte mit universeller Gültigkeit. Gesitteten Kulturnationen ist die Bindung an diese Grundsätze selbstverständlich.


Pressemitteilung vom 19.3.2017

Rechtsstaatlich besorgniserregendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Sterbehelferverein „Dignitas“ initiiert Präzedenzfall

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 2.3.2017, das Patienten in „extremen Ausnahmesituationen“ den Zugang zu dem Betäubungsmittel Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung erlaubt, wurde vielfach und zu Recht scharf kritisiert. Ein Anspruch auf Beihilfe zur Selbsttötung seitens des Staates existiert in Deutschland nicht! Selbst in der Schweiz verneinte das Bundesgericht die Existenz eines solchen Rechtes.1 Das Tötungsmittel Pentobarbital ist in Deutschland nur in der Veterinärmedizin zugelassen. Im Ausland dient es der Vollstreckung der Todesstrafe. Die Verwendung zum Zweck der Selbsttötung von Menschen verstößt gegen unser Betäubungsmittelgesetz.

Zu einem Zeitpunkt, wo das Bundesverfassungsgericht dreizehn Verfassungsbeschwerden gegen den neuen §217 StGB prüft, greift das Bundesverwaltungsgericht mit seinem politischen Urteil vor und versucht, neue rechtliche Fakten zu schaffen. Es liegt nahe, dass dieses Urteil auf die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Einfluss nehmen soll. Der Gründer des Sterbehelfervereins „Dignitas“, Ludwig Minelli, äußert seine Erwartung: „Es (das Urteil d. Bundesverwaltungsgerichts, Anm. d. Verf.), dürfte bei der Beurteilung der Verfassungswidrigkeit von §217 StGB durch das Bundesverfassungsgericht jedenfalls eine nicht unbedeutende Rolle spielen.“ 2

Wie kommt es zu diesem Urteil?

Seit Jahrzehnten ist es Minellis erklärtes Ziel, das „Recht auf Beihilfe zur Selbsttötung“ eines Menschen weltweit zu erkämpfen. „Dignitas ist eine Kampforganisation, welche dieses Recht des Individuums (auf Beihilfe zur Selbsttötung, Anm. d. Verf.) zuerst auf die Nachbarstaaten, dann auf Europa, und schließlich auf den Rest der Welt ausgedehnt wissen möchte.3 Bereits 2008 befand Minelli, dass die Rechtslage in Deutschland entsprechend geändert werden müsse. „Letztlich müsste das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entscheiden, falls nicht deutsche Gerichte vernünftig urteilen.“ Laut Minelli war der in Deutschland verbotene Verein maßgeblich daran beteiligt, das Leipziger Urteil zu erwirken. Dabei hat „Dignitas“ die tragische Situation einer schwerkranken Patientin benutzt, um einen Musterprozess in Deutschland zu initiieren und zwar unter Inkaufnahme der Verlängerung des Leidens der Patientin: Sie „… stimmte … sofort zu, als ihr der Vorschlag gemacht wurde, bei der Bundesopiumstelle das Begehren um Erlaubnis eines Zugangs zum Sterbemittel zu stellen, damit auf diese Weise ein Rechtsverfahren um diese Grundsatzfrage in Gang gesetzt werden konnte, obwohl dies ihre Leidenszeit um einige Monate verlängerte.“ 4

Die querschnittsgelähmte Patientin hätte jederzeit die Beendigung der künstlichen Beatmung – unter angemessener Sedierung zur Symptomkontrolle – einfordern und damit das Sterben zulassen können. Warum war hier die Not so groß, dass ein tödliches Medikament eingefordert wurde?“ fragt Prof. Dr. Lukas Radbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.5 Auch bleibt die Frage offen, ob die Patientin unter einer adäquaten palliativmedizinischen Versorgung, die es offenbar nicht gab, ihren Suizidwunsch hätte fallen lassen.

Der gesamte Vorgang erinnert an die in den Niederlanden seit über 30 Jahren verfolgte Strategie des „Rechtsopportunismus.“ Durch richterliche Urteile wurde neben dem bestehenden Gesetz eine abweichende Rechtspraxis geschaffen. So ist nach dem niederländischen Strafgesetzbuch die „Tötung auf Verlangen“ nach wie vor verboten. Gleichwohl wurde aber durch mehrere Gerichtsurteile in den vergangenen Jahrzehnten beschlossen, dass Tötung auf Verlangen in diesem oder jenem Fall straffrei bleibt. In einem zweiten Schritt wurde dann das Strafgesetz der jahrelang geübten Praxis angepasst.

Es ist zu befürchten, dass das Leipziger Urteil zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz des Suizids als auch der Suizidbeihilfe und damit zu einem Anstieg der Zahl der Suizidtoten führen wird. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Beschränkung auf Ausnahmesituationen erneut rechtlich angefochten werden wird mit der Begründung, es sei diskriminierend und verstoße gegen das Gleichheitsgebot, dieses „Recht“ nur wenigen Menschen zuzugestehen.

Anstatt das Recht zu brechen und eine Kultur des Todes zu etablieren, sollten wir alles daransetzen, schwer kranke und sterbende Menschen so zu versorgen, dass sie nicht unerträglich leiden müssen. Jeder physisch und psychisch kranke Mensch braucht fachgerechte ärztliche Hilfe und echte mitmenschliche Zuwendung sowie die Gewissheit, dass alles getan wird, um seine Krankheit zu heilen oder, wo dies nicht möglich ist, sein Leiden zu lindern. Aufgrund der sozialen Verbundenheit und des medizinischen Fortschrittes sind wir hierzu in der Lage.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stellt einen schwerwiegenden Wertebruch in der deutschen Nachkriegsgeschichte dar und muss revidiert werden.

3 L. Minelli, Gründer u. Generalsekretär von „Dignitas“, in: Marcus Born, Mit Würde sterben, 20.3.2008, https://www.heise.de/tp/features/Mit-Wuerde-sterben-3417839.html (besucht am 16.3.17)

4 Humanistischer Pressedienst 6.3.2017, https://hpd.de/artikel/es-gibt-noch-richter-deutschland-14159 (besucht am 16.3.17)

5 Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, Pressemitteilung vom 3.3.2017, https://www.dgpalliativmedizin.de/ (besucht am 16.3.17)


Pressemitteilung vom 17.12.16

Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“  reicht am 2.12.2016 Verfassungsbeschwerde gegen § 217 StGB ein

Das Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ hat im Dezember 2016 eine Verfassungsbeschwerde gegen den neuen § 217 StGB initiiert und mit Hilfe des renommierten Verfassungsrechtlers Dr. Christoph Partsch aus Berlin eingereicht.

Das Arbeitsbündnis ist ein Verbund von Bürgern aus der Mitte der Gesellschaft, in dem Ärzte, Juristen, Pädagogen, Philosophen, Ökonomen und Angehörige von Pflegeberufen vertreten sind. Aus Besorgnis über drei der vier Entwürfe des im Vorjahr laufenden Gesetzgebungsverfahrens zum assistierten Suizid verfassten sie unter anderem eine gemeinsame Erklärung, die in der FAZ am 27.6.2015 veröffentlicht wurde (siehe Anlage).

Nach dem Inkrafttreten des neuen § 217 StGB wurde die jetzige Verfassungsbeschwerde fristgerecht am 2. Dezember 2016 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht; sie erhielt das Aktenzeichen 2BvR2492/16. Die Beschwerdeführer sind mehrheitlich Ärzte und Wissenschaftler: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Uwe Henrik Peters, Prof. Dr. med. Dr. phil. Klaus Dörner, Prof. Dr. phil. Dr. med. habil. Armin Schmidtke, Dipl. soz. päd. Helga Ebel, Prof. Dr. med. Axel W. Bauer, Dr. med. Susanne Hörnemann, Prof. Dr. med. Paul Cullen, Dr. med. Angela Spelsberg, Dr. med. Susanne Ley.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen den neuen § 217 StGB, das sogenannte „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ vom 9. Dezember 2015, das in Absatz 2 Angehörige und Nahestehende ausdrücklich straffrei stellt, wenn sie Beihilfe zum Suizid leisten oder selbst Teilnehmer einer geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe sind. Aufgrund dieser Straffreistellung sei zu erwarten, dass sowohl die gesellschaftliche Akzeptanz des Suizids als auch der Suizidbeihilfe und damit die Zahl der Suizidtoten ansteigen werden.

Die Beschwerdeführer befürchten einen Eingriff in das Recht auf freie Berufsausübung gemäß Artikel 12 GG, da der § 217 StGB das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zerstöre. Es müsse klar bleiben, dass der Arzt Beschützer des Lebens ist, er dürfe nicht zur Gefahr für das Leben seiner Patienten werden.

Die Beschwerdeführer tragen weiterhin eine Verletzung der durch Artikel 4 GG geschützten Gewissensfreiheit vor, weil die durch das Gesetz geförderte Akzeptanz des assistierten Suizids den Arzt zur Abkehr von dem seit 2400 Jahren respektierten ärztlichen Ethos in der Hippokratischen Tradition führe, den kranken Menschen zu heilen oder, wo dies nicht möglich ist, sein Leiden zu lindern.

Die Beschwerdeführer sind, ausgehend vom aktuellen medizinisch-psychiatrischen Verständnis von Suizidalität, der Ansicht, Suizidalität sei in den allermeisten Fällen Symptom einer psychischen Erkrankung beziehungsweise mit einer psychosozialen Krise verknüpft. Daher sei der Wille des suizidalen Menschen nicht im positiven Sinne des Wortes „frei“; vielmehr müsse der Betroffene sowohl vor einer Kurzschlusshandlung als auch vor Handlungen Dritter, nämlich denen der Sterbehelfer, geschützt werden. Hier bestehe eine Schutzpflicht des Staates. Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG schütze das Recht auf Leben. Der Schutz des Lebens werde durch den § 217 StGB nicht gestärkt, sondern im Gegenteil gefährdet.

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Pressemitteilung vom 9.11.15

Beispielloser Wertebruch in der deutschen Nachkriegsgeschichte

Es ist erschütternd, dass am 6.11.2015 – 70 Jahre nach Kriegsende – der Deutsche Bundestag dem Gesetzentwurf des Abgeordneten Brand zugestimmt hat, der Ärzten die Möglichkeit gibt, „über das Ende von Leben zu entscheiden.“1 Dieses Gesetz dürfte nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages verfassungswidrig sein. Der assistierte Suizid widerspricht zutiefst dem ärztlichen Ethos, sich nicht an der Tötung oder Selbsttötung eines Menschen zu beteiligen, und der Menschlichkeit eines jeden. Der Öffentlichkeit wurde in den letzten Monaten suggeriert, es läge dem Gesetzentwurf des Abgeordneten Brand lediglich die Absicht zu Grunde, die Gesetzgebung zum assistierten Suizid zu verschärfen. Dabei wurde betont, dass die gewerbsmäßige Beihilfe zum Suizid strafbewehrt verboten werden soll. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Der zweite Teil des Gesetztes wurde in den Medien meist verschwiegen: Gerade diejenigen Menschen, die nach unserem geltenden Recht eine Garantenpflicht zum Lebensschutz haben, d. h. Angehörige und Nahestehende – auch der Arzt – werden ausdrücklich straffrei gestellt, wo bisher eine strafrechtliche Normierung fehlte. Der Abgeordnete René Röspel (SPD) sagte im Bundestag: „Sie (die Ärzte, Anmerk. d. Verf.) müssen über das Ende von Leben entscheiden, sie müssen loslassen und am Ende vielleicht sagen: Ja, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich Hilfe gebe, damit ein anderer sich selbst vielleicht umbringen kann“.2 Dem assistierten Suizid geht immer voraus, dass ein Menschenleben von Dritten als lebensunwert beurteilt wird. Damit wird die Grenze zur Euthanasie überschritten.

Es ist wichtig zu erkennen, dass die Haltung gegenüber unheilbar Kranken – nämlich, dass es Zustände gebe, die als nicht mehr lebenswert zu betrachten sind – der winzige Auslöser für das Euthanasieprogramm der Nazis war.3 Seit 1945 ist es in Deutschland Konsens, dass es kein lebensunwertes Leben gibt. „Die Humanität gebietet die Achtung vor dem Bild des Menschen auch in seiner beschädigten Erscheinung.“4 Folgerichtig ist in Deutschland Tötung auf Verlangen strafbewehrt verboten(§216 StGB).

Die Zustimmung des Deutschen Bundestages zum Gesetzentwurf des Abgeordneten Brand, der assistierten Suizid rechtlich explizit zulässt, ist ein beispielloser Wertebruch in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

1 Plenarprotokoll 18/115, Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 115. Sitzung, Berlin, den 2. Juli 2015, Seite 11063
2 Plenarprotokoll 18/115, Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 115. Sitzung, Berlin, den 2. Juli 2015, Seite 11063
3 Vergl.: Töten oder Sterben lassen, Robert Spaemann/ Thomas Fuchs, Herder 1997
4 Nazipsychiatrie, Uwe Henrik Peters, ANA Publishers, Köln 2011, Seite 188

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Pressemitteilung vom 3.11.15

zur Sendung „Hart aber fair“ am 2.11.2015 zum Thema: „Sterbehilfe – von den Bürgern gewollt, vom Staat verboten?“

Assistierter Suizid überschreitet die Grenze zur Euthanasie – die Sendung von Herrn Plasberg die Grenze des Erträglichen.

Diese Sendung richtet im Gemüt der Menschen großen Schaden an und hätte nicht ausgestrahlt werden dürfen. Mit Propaganda für den assistierten Suizid sollte hier Einfluss genommen werden auf die Abstimmung im Bundestag am 6.11.2015.

Verschwiegen wurde, dass auch der „moderate“ Entwurf der Abgeordneten Brand und Griese Ärzten die Möglichkeit geben soll „über das Ende von Leben zu entscheiden.“ Der Entwurf des Abgeordneten Sensburg, der als einziger eine klare Werteentscheidung für das Recht auf Leben trifft, wurde völlig unterschlagen.

In dieser einseitigen Inszenierung wurde suggeriert, der assistierte Suizid sei bereits gang und gäbe und gesellschaftlich akzeptiert und es gelte lediglich rechtliche Fragen zu klären. Dies ist jedoch keinesfalls richtig. Aufgrund der sozialen Verbundenheit und des medizinischen Fortschrittes sind wir heute in der Lage, schwer kranke und sterbende Menschen so zu versorgen, dass sie nicht unerträglich leiden müssen und sich aufgehoben fühlen. Menschen, die einen Wunsch nach assistiertem Suizid äußern, wollen menschlich entgegengenommen werden und menschliche Zuwendung erfahren. Sie erwarten in aller Regel nicht, dass ihr Tod herbeigeführt wird. Es widerspricht zutiefst dem ärztlichen Ethos und der Menschlichkeit eines jeden, leidenden Menschen Beihilfe zum Suizid zu leisten. Die Aufgabe des Arztes ist es, zu helfen, nicht zu töten oder Gift bereitzustellen. Palliativmedizin kann suizidpräventiv wirken. Diese Sendung bewirkt das Gegenteil!

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Pressemitteilung vom 20.9.15

Assistierter Suizid überschreitet Grenze zur Euthanasie

Am 6.11.2015 soll der Deutsche Bundestag über vier Gesetzentwürfe zum assistierten Suizid abstimmen. Drei der vier Gesetzentwürfe fordern, dass die Beihilfe zur Selbsttötung eines Menschen – auch für Ärzte – rechtlich ausdrücklich zugelassen werden soll. Eine Zustimmung des Bundestages wäre ein beispielloser Wertebruch in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

  1. Nur der Entwurf des Abgeordneten Sensburg trifft eine klare Werteentscheidung für das Recht auf Leben als dem höchsten Rechtsgut des Menschen. Er sieht ein generelles Verbot für den assistierten Suizid vor, wie es in anderen europäischen Ländern bereits existiert (Dänemark, Finnland, Großbritannien, Griechenland, Irland, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien, Ungarn).

Der Öffentlichkeit wird suggeriert, es läge den verschiedenen Gesetzentwürfen die übereinstimmende Absicht zu Grunde, die Gesetzgebung zum assistierten Suizid zu verschärfen. Betont wird dabei, dass die gewerbsmäßige Beihilfe zum Suizid strafbewehrt verboten werden soll. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit:

    1. Der Entwurf des Abgeordneten Brand, der in den Medien als der „Weg der Mitte“ dargestellt wird, stellt zwar in einem ersten Teil die geschäftsmäßige Beihilfe unter Strafe, der zweite Teil des Gesetzentwurfs wird jedoch meist verschwiegen: Die Suizidbeihilfe soll rechtlich für „Angehörige und andere dem Suizidwilligen nahestehende Personen“, d. h. auch für Ärzte, ausdrücklich straffrei gestellt werden. Gerade die Personen, die nach unserem geltenden Recht eine Garantenstellung für den Schutz des Lebens haben, sollen ausdrücklich straffrei gestellt werden, wenn sie ihren Angehörigen, Nahestehenden oder Patienten bei der Selbsttötung assistieren. Der Abgeordnete René Röspel (SPD), sagt im Bundestag: „Sie (die Ärzte, Anmerk. d. Verf.) müssen über das Ende von Leben entscheiden, sie müssen loslassen und am Ende vielleicht sagen: Ja, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich Hilfe gebe, damit ein anderer sich selbst vielleicht umbringen kann.“1
    1. Mit dem Entwurf der Abgeordneten Hintze und Lauterbach soll einem lebensmüden Menschen das Recht auf Beihilfe zum Selbstmord gewährt werden. Der „Helfer“ soll ein Arzt sein, der nicht mehr ans Standesrecht gebunden ist. Die Approbationsordnung soll geändert und der assistierte Suizid im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert werden. Die Suizidbeihilfe darf laut Gesetzentwurf nur erfolgen, wenn eine „unheilbare Erkrankung unumkehrbar zum Tod führt.“2 Bereits in seiner mündlichen Begründung dehnt der Abgeordnete Lauterbach die Indikationen aus: „Wenn es um Menschen geht, die nicht vom Tod bedroht werden, die also nicht sterbenskrank sind, dann können aus unserer Sicht die Kammern (Ärztekammern, Anmerk. d. Verf.) frei bestimmen, ob demjenigen, der lebenssatt, aber nicht vom Tod bedroht ist, ein Arzt helfen kann oder nicht.“3
  1. Der Entwurf der Abgeordneten Künast und Sitte stellt die Hilfe zur Selbsttötung eines sterbewilligen Menschen grundsätzlich straflos, außer wenn sie gewerbsmäßig erfolgt. Beihilfe zum Suizid soll rechtlich „explizit straffrei normiert“ werden.4 „Wer in organisierter oder geschäftsmäßiger Form Hilfe zur Selbsttötung leistet, hat die Pflicht, alle dazu notwendigen Handlungen zu dokumentieren. Für Ton- oder Bildaufnahmen ist eine schriftliche Einwilligung des sterbewilligen Menschen erforderlich.“5 „Die Hilfe zur Selbsttötung kann eine ärztliche Aufgabe sein und darf Ärzten nicht untersagt werden. Dem entgegenstehende berufsständische Regelungen sind unwirksam.“6

Die drei Gesetzentwürfe von Brand, von Hintze u. Lauterbach und von Künast u. Sitte widersprechen zutiefst dem ärztlichen Ethos und der Menschlichkeit eines Jeden. Über das Ende von Leben entscheidet die Natur oder Gott, aber nicht der Arzt.

Werden Sie aktiv! Unterstützen Sie den Gesetzentwurf Sensburg.

1 Plenarprotokoll 18/115, Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 115. Sitzung, Berlin, den 2 Juli 2015, Seite 11063
2 Gesetzentwurf Ärztlich begleitete Lebensbeendigung, Seite 4, § 1921a
3 Plenarprotokoll 18/115, Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 115. Sitzung, Berlin, den 2. Juli 2015, Seite 11054
4 Entwurf eines Gesetzes über die Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung, Seite 2
5 Ebenda, Seite 6, § 8
6 Ebenda, Seite 5, § 6

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Pressemitteilung vom 16.8.15

Der Lebensschutz in Deutschland ist wieder in Gefahr
Am 15. August 2015 fand das erste Arbeitstreffen des Arbeitsbündnisses „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ in Köln statt. Etwa 50 besorgte Bürgerinnen und Bürger, darunter Ärzte, Juristen, Pädagogen, Betriebswirtschaftler sowie Angehörige anderer Berufsgruppen diskutierten über die vier Gesetzentwürfe zum assistierten Suizid, die am 6. November 2015 im Deutschen Bundestag zur Abstimmung kommen sollen.
Alle Teilnehmer waren sich einig, dass kein Gesetz beschlossen werden darf, das den assistierten Suizid ausdrücklich zulässt. Bei der Bewertung der vorliegenden Gesetzentwürfe müssen die Lehren aus der Deutschen Geschichte einbezogen werden. Die Propagierung der Mitleidstötung stand am Anfang des Euthanasieprogramms der Nazis. Der Begriff „assistierter Suizid“ ist ein Euphemismus. Tatsächlich wird bei der Beihilfe zum Suizid ein Leben von Dritten als lebensunwert beurteilt und damit die Grenze zur Euthanasie überschritten.
Konsens war, dass das Recht auf Leben seinen Stellenwert als höchstes Rechtsgut behält, das es uneingeschränkt zu schützen gilt. Das Selbstbestimmungsrecht ist dem Recht auf Leben nachgeordnet.
Drei der vier vorliegenden Gesetzentwürfe fordern, dass die Beihilfe zur aktiven Tötung eines Menschen, auch für Ärzte, ausdrücklich zugelassen werden soll. Irreführend ist es, dass der Gesetzentwurf des Abgeordneten Brand als „Weg der Mitte“ propagiert wird. Suggeriert wird, es handele sich um eine Verschärfung der Gesetzgebung zum assistierten Suizid. Im ersten Teil des Gesetzentwurfes wird die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe unter Strafe gestellt. Der zweite Teil wird meist verschwiegen: Gerade diejenigen Menschen, die nach unserem geltenden Recht eine Garantenpflicht zum absoluten Lebensschutz haben, d.h. Angehörige und Nahestehende (auch Ärzte), sollen ausdrücklich straffrei gestellt werden, wo bisher eine rechtliche Normierung fehlt. Diese Straffreistellung wirkt tatverstärkend.
Die ärztliche Beihilfe zum Suizid widerspricht der 2400 Jahre alten hippokratischen Ethik und der Menschlichkeit eines jeden. Die anwesenden Ärzte wiesen darauf hin, dass sich der Arzt niemals an der Tötung eines Menschen oder an der Beihilfe zur Tötung beteiligen darf. Der Arzt hilft, Leiden zu lindern, aber nicht zu töten. Aufgrund der Fortschritte in der Palliativmedizin muss heute niemand mehr an unerträglichen Schmerzen leiden.
Herausgearbeitet wurde ein Zusammenhang zwischen der zunehmenden Ökonomisierung im Gesundheitswesen und Euthanasie. Die Teilnehmer hielten fest, dass die Gesellschaft den Problemen, die der demographische Wandel in den nächsten Jahren mit sich bringen wird,
anders begegnen muss. Die Gäste aus der Schweiz und den Niederlanden wiesen auf die immense Bedeutung der deutschen Position in dieser Frage im internationalen Kontext hin.
Am Ende der Tagung zogen die Teilnehmer folgendes Fazit:
Der Entwurf des Abgeordneten Sensburg ist als einziger zu unterstützen, da er eine klare Werteentscheidung für das Recht auf Leben als höchstes Rechtsgut trifft. Er sieht ein generelles Verbot für den assistierten Suizid vor, wie es in anderen europäischen Ländern (England, Finnland, Irland, Italien, Österreich, Polen, Spanien) bereits besteht.

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